Völlig ausgebrannt – Über Burnout und Erschöpfungsdepression

Jeder hatte schon mal einen anstrengenden Tag hinter sich. Manchmal klemmt der Drucker im Büro oder man kommt später von der Arbeit zurück als gewohnt, weil noch so viel auf dem Schreibtisch herumlag. Und der Chef hatte auch schon wieder was zu bemängeln. All diese Begebenheiten erlebt man hin und wieder im Arbeitsalltag. Die gute Nachricht ganz zu Beginn: Sowas geht vorüber. Beim Feierabend oder spätestens am nächsten Morgen sieht die Welt meistens wieder fröhlicher aus. Der Drucker funktioniert zum Glück einwandfrei, der Chef ist ausgeglichen und der Frühstückskaffee mit den Kollegen schmeckt gleich viel besser. Vor allem dann, wenn Freitag ist.

Leider ist das nicht immer der Fall. Manchmal entwickelt sich aus dem Berufsstress und den Anforderungen eine richtiggehende Überforderung, bei der sowohl die Psyche als auch die körperliche Gesundheit in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Betroffene fühlt sich den Erwartungen nicht mehr gewachsen, nichts gelingt ihm mehr ‚einfach so‘, er ist innerlich aufgebraucht. Und das Privatleben leidet häufig auch darunter.

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Als bildliche Beschreibung kann man sich ein abgebranntes Streichholz vorstellen. Nichts geht mehr, bei der nächsten kleinen Flamme fällt das Holz in sich zusammen. Dieser Zustand beschränkt sich nicht auf einzelne Tage, sondern zieht sich über Wochen, Monate oder sogar Jahre hindurch. In der Umgangssprache wird er auch Burnout, also im wörtlichen Sinn ‚ausgebrannt‘, genannt. Die formelle Bezeichnung lautet Erschöpfungsdepression. Inzwischen betrifft das Problem längst nicht mehr nur einzelne Personen. Burnout-Patienten findet man in der heutigen Zeit auch nicht mehr nur im gehobenen Management, sondern in wirklich allen Berufsgruppen und Altersklassen wieder. Die Tendenz steigt ständig an.

Viele Betroffene und Angehörige wollen nach der Diagnose wissen: ‚Welche Faktoren führen bei Arbeitnehmern dazu, dass sie am Ende ihrer Kräfte sind? Wer ist von seelischer Überlastung besonders gefährdet oder auch nicht? Wie bemerkt man eine Erschöpfungsdepression?‘. Solche Fragen sollen an dieser Stelle beantwortet werden.

Wer gilt als Risikogruppe?

Im Prinzip kann jeder an Burnout erkranken. Besonders anfällig sind Menschen mit übertriebenem Leistungsdruck an sich selbst, Führungskräfte in Betrieben, extrem motivierte Mitarbeiter oder Personen mit privaten Schwierigkeiten. Ausschlaggebend ist überdies das Umfeld. Schichtdienst, ein straffes Zeitkontingent für die anfallenden Aufgaben sowie komplizierter Arbeitsstoff können zur Überforderung eines oder mehrerer Kollegen führen.

Entgegen nach wie vor verbreiteter (und veralteter) Klischees leiden immer mehr Studenten an dem Gefühl, ausgelaugt zu sein. Durchschnittlich sind es derzeit etwa 15 Prozent. Sowohl Erfahrene als auch Erstsemester kommen in die Sprechstunden des psychologischen Beratungsdienstes an den Universitäten. Viele Neu-Studenten fühlen sich zu Beginn ihres Studiums orientierungslos, sie kommen in dem ungewohnten Milieu nicht zurecht oder fühlen sich dort ausdrücklich unwohl. Die Alteingesessenen sind von ihrem Stapel an Hausarbeiten & Co. überfordert und suchen sich deshalb Hilfe. Wenn die Bachelor- oder Masterarbeit bevorsteht, wird der Druck oft besonders gross.

Auch wenn es viele nicht glauben können: Es ist kein Zeichen von Schwäche, seine persönlichen Leistungsgrenzen zu erkennen, ganz im Gegenteil. Wichtig ist, sich darüber im Klaren zu sein und die Grenze nicht zu überschreiten. Das müssen auch viele Angehörige erst einmal begreifen. Zudem sollte man für Anzeichen einer Überanstrengung sensibel sein. So kann man aus eigenen Stücken präventiv vorgehen.

Warnsignale für Burnout und eine Erschöpfungsdepression:

Der Prozess verläuft meistens sehr langsam und ist nicht direkt ersichtlich. Daher sind die häufigsten Merkmale auf einen Blick zusammengefasst. Zu den psychischen Symptomen gehören eine depressive Grundstimmung, Gereiztheit schon bei geringen Anlässen, allgemeine Abgeschlagenheit und die Unfähigkeit, sich an eine Aufgabe ‚ran zu setzen‘. In der Freizeit werden Hobbys kaum noch verfolgt oder komplett vernachlässigt. Stattdessen scheinen berufliche Verpflichtungen kein Ende zu nehmen, denen der Betroffene allerdings mit Gleichgültigkeit begegnet. Körperlich drückt sich die Erschöpfung durch Kopf- und Gliederschmerzen, erhöhte Müdigkeit oder Einschlafstörungen aus. Ein subjektives Schwächegefühl ist keineswegs selten.

Solche Beschwerden müssen unbedingt realisiert und ernstgenommen werden. Vermutet man bei sich ein Erschöpfungssyndrom, ist ein baldiger Arztbesuch dringend anzuraten. Nicht therapierte Überanstrengung entwickelt sich bei nicht wenigen Patienten zu einer schweren Depression oder mündet in einen Suizid. Rund 15 Prozent der Betroffenen werden im Laufe der Zeit arbeitsunfähig und kehren nicht mehr an ihren früheren Arbeitsplatz zurück.

In der ärztlichen Sprechstunde wird der Patient zunächst auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben, damit er zur Ruhe kommen kann. Parallel dazu sind eine Psychotherapie oder regelmässige Besuche bei einer Selbsthilfegruppe empfehlenswert. Der Betroffene muss dabei herausfinden, ob er sich im professionellen Rahmen mit einem Therapeuten oder in einer informellen Gruppe mit Gleichgesinnten am besten aufgehoben fühlt. Manche Patienten finden auf speziellen Internetforen Rückhalt in ihrer schwierigen Lage.

Öfter mal Pause machen:

Der erste Schritt in die richtige Richtung besteht darin, sich wieder intensiver den Hobbys und persönlichen Interessen zuzuwenden. Gleichzeitig sollte man überlegen, welche Arbeit im Moment vorrangig ist und welche bis morgen liegen bleiben kann. Vielen Betroffenen hilft auch ein Grübeltagebuch. Darin steht alles geschrieben, womit man sich am nächsten Tag beschäftigt, weil dafür heute keine Zeit mehr vorhanden ist.

Bei starkem Ausgebrannt-Sein erhält man in der Regel eine Krankschreibung. Der Hausarzt stellt für den Arbeitgeber ein Attest aus, indem er die psychische Belastung des Patienten bestätigt. Für Studenten gibt es die Möglichkeit eines Feriensemesters. Das freie Semester kann mit einem Formular beantragt werden. Es schadet zudem nicht, mit einem Dozenten über die privaten Sorgen zu sprechen. Abgabefristen für Hausarbeiten lassen sich meistens nach Absprache verlängern. Alternativ sind entsprechende Beratungsbüros auf dem Campus geeignete Anlaufstellen, wenn man sich aus eigener Kraft nicht mehr selbst helfen kann.

Auf Dauer hat es keinen Sinn, manches einfach durchzuhalten. Das erträgt langfristig gesehen niemand. Der letzte Ausweg ist daher manchmal eine Kündigung oder ein Studienabbruch. Eine andere Option sind Umschulungen oder der Wechsel zu einem anderen Studienfach. Für Studenten gibt die Studienberatungsstelle gezielt Auskunft. Arbeitnehmer wenden sich mit ihrem Wunsch nach beruflicher Veränderung ans Arbeitsamt.

Arbeit soll schliesslich auch Spass machen. Wer gerne in seinem Job tätig ist, dem fallen die Aufgaben leichter. Hat sich der Patient nach abgeschlossener Burnout-Therapie für einen Beruf oder ein Studienfach entschieden, woran er tatsächlich Freude hat, kann er seine Lebensqualität wiederfinden. Doch ungeachtet der neuen Perspektiven darf eines nicht verlernt werden: Genauere Achtsamkeit, in erster Linie mit sich selbst. Somit wird ein Rückfall in alte Verhaltensmuster schneller erkannt und der Betroffene kann einen erneuten Erschöpfungszustand mitunter vermeiden.